Warum ich kein Teambuilding für Unternehmen anbiete

Tango ist Begegnung. Tango ist Nähe. Tango ist ein freiwilliges Spiel mit Rollen, Berührung und Vertrauen.
In meiner Arbeit mit Tango Argentino in der Erwachsenenbildung bedeutet das: Menschen entscheiden sich selbstbestimmt dafür, in ein offenes Setting zu kommen, in dem sie freiwillig teilnehmen, bleiben – und gehen können. Das ist kein Zufall, sondern die Grundbedingung dafür, dass das, was im Tanz passiert, überhaupt passieren darf.

Immer wieder bekomme ich Anfragen von Firmen, ob ich nicht „kleine Gruppen zum Teambuilding“ unterrichten könnte. Oft klingt das nach einer guten Idee: Menschen lernen sich anders kennen, kommen in Bewegung, vielleicht sogar in Verbindung. Doch bei näherer Betrachtung zeigt sich: Ich biete das nicht an – und das aus guten Gründen.

Freiwilligkeit ist keine Nebensache – sie ist die Voraussetzung

Wer in ein Unternehmen eingebunden ist, folgt Rollen, Erwartungen, Hierarchien. Auch wenn ein Teamevent „freiwillig“ genannt wird, ist diese Freiwilligkeit selten frei von Druck: Z. B. wer nicht mitmacht, fällt auf. Wer sich verweigert, gilt als schwierig.
In einem Tango-Setting, in dem Nähe, Berührung und Kooperation zentral sind, wird aus dieser halbfreiwilligen Teilnahme schnell ein Zwang zur Nähe.
Ich halte es für ethisch nicht vertretbar, Menschen in einen Raum zu bringen, in dem sie sich körperlich begegnen müssen, obwohl sie es in dieser Konstellation nie freiwillig täten.

Nähe ist keine Methode – sondern ein Risiko

Wenn ich tanze, umarme ich mein Gegenüber. Nicht metaphorisch, sondern wörtlich. Das kann wunderschön sein. Es kann aber auch irritieren, triggern, überfordern.
Ein Setting, in dem eine Chefin plötzlich mit ihrer Mitarbeiterin tanzen soll – oder zwei Kolleg:innen, die sich aus dem Weg gehen –, ist kein neutraler Raum. Es ist ein Raum voller nicht ausgesprochener Konflikte, Verletzungen oder Machtfragen, die sich durch die Tanzhaltung potenzieren.

Rollenwechsel im System: schwierig, nicht romantisch

In einem offenen Tangokurs begegne ich Menschen auf Augenhöhe. Aber wenn eine Vorgesetzte mit ihren Mitarbeiter:innen kommt, verändert das die Gruppendynamik – ob sie will oder nicht.
Ich kann nicht kontrollieren, ob sie subtil bewertet, beobachtet oder Einfluss nimmt. Ich müsste sie auffordern, ihre Rolle zu verlassen. Und wenn sie das nicht kann – oder nicht will? Dann wird aus meinem Unterricht ein Minenfeld.

Mein Tanzraum ist kein Schauplatz innerbetrieblicher Transformation

Ich arbeite gern mit Gruppen. Aber nicht als Verlängerung betrieblicher Personalarbeit. Ich will keine sozialen Spannungen „wegmoderieren“, die sich in Unternehmen angestaut haben.
Und ich weigere mich, ein Tanzformat, das auf gegenseitiger Zustimmung basiert, zu einem Vehikel unfreiwilliger Annäherung zu machen.

Deshalb biete ich keine Teambuilding-Kurse für Unternehmen an.
Aus Verantwortung für den Raum, den ich als Gastgeber:in halte. Für die Menschen, die zu mir kommen. Und für die Würde einer Praxis, die Nähe nur dort ermöglicht, wo sie gewollt und getragen ist.